„Arktis ist ein Gebiet der Kooperation. Kein Blut,
kein Krieg!“
Ottawa, 29. Mai 2011. Als „kalter Krieg in der Arktis“ werden die Meinungsunterschiede der Polarstaaten über die Rechte bei der künftigen Nutzung des Arktischen Ozeans oft beschrieben, manche wittern gar eine militärische Konfrontation. Unsinn, sagen Norwegen und Russland. Für sie ist das Nordpolgebiet vor allem ein Gebiet des Dialogs und der Zusammenarbeit.
Russland und Norwegen widersprechen dem Eindruck, Konfrontation präge die Stimmung im Nordpolgebiet
„Alle apokalyptischen Szenarien über die Zukunft der Arktis, das unvermeidbare Zusammenprallen von Interessen oder gar Krieg um die letzten unerschlossenen Ressourcen der Welt sind nichts anderes als Fischen in trüben Gewässern“, sagte der russische Sonderbotschafter für arktische Angelegenheiten Anton Vasiliev dieser Zeitung. „Das Eis schmilzt, und wenn wir noch Klischees und Hürden aus alten Zeiten in unseren Köpfen haben, sollten sie noch vor dem Eis schmelzen.“
Vasiliev sprach auf einer Konferenz der Carleton-Universität in der kanadischen Hauptstadt Ottawa über „Dialog und Kooperation in der Arktis“. Klimawandel und wachsender Rohstoffbedarf verändern die Arktis. Der Rückgang des Meereises im Sommer öffnet das Nordpolgebiet für wirtschaftliche Entwicklung und Transport. In Küstennähe werden Öl- und Gasvorkommen vermutet. Ob der Ozean zudem Mineralien birgt, ist noch weitgehend unerforscht. Die Anrainerstaaten können nach der UN-Seerechtskonvention Anspruch auf wirtschaftliche Nutzung des Meeresbodens über die 200-Seemeilen-Zone hinaus erheben, wenn sie nachweisen können, dass er die „natürliche Verlängerung“ ihres Festlandes ist. Russland hat mit dem Versenken seiner Flagge am Nordpol 2007 Anspruch auf den Nordpol erhoben. Jüngst wurde bekannt, dass auch Dänemark diesen Anspruch erhebt. Erwartet wird, dass Kanada ähnliche Forderungen geltend machen wird.
Lösung von Streitfragen nach der UN-Seerechtskonvention
Da sich Ansprüche der Anrainerstaaten, zu denen auch die USA und Norwegen gehören, überlappen können, ist oft von „Kaltem Krieg“ und Konfrontation die Rede. Übersehen wird, dass die UN-Seerechtskonvention als Rechtsrahmen liefert und die Küstenstaaten vereinbart haben, Streitfragen nach dem Seerecht zu lösen. In ihrer „Ilulissat-Erklärung“ vom Mai 2008 verpflichteten sich die Küstenstaaten, überlappende Ansprüche nach der Seerechtskonvention zu regeln. Norwegen und Russland haben sich im vergangenen Herbst nach 30 Jahren Verhandlungen auf eine Grenzlinie in der Barents-See geeinigt und wollen grenzüberschreitende Öl- und Gasfelder in Kooperation erschließen. Der „Arktische Rat“ der acht Staaten des Nordpolgebiets hat vor zwei Wochen ein rechtlich bindendes Abkommen über Such- und Rettungsmaßnahmen und die Stärkung des Rates beschlossen. Dem stehen allerdings vereinzelt „Säbelrasseln“ und Drohgebärden einiger Militärs oder Politiker – etwa in Russland und Kanada – entgegen.
„Seit dem Ende des Kalten Krieges sehen wir eine wachsende Kooperation, die die frühere strategische Konfrontation ersetzte“, sagte Vasiliev auf der Konferenz in Ottawa. Die Ilulissat-Erklärung und die Sitzung des Arktisrates Mitte Mai in Nuuk sollten „selbst die wenigen härtesten Skeptiker, die von den Klischees des Kalten Krieges kommen“, umstimmen, sagte der Botschafter. „Alle Probleme werden durch professionelle Arbeit auf der Basis des internationalen Rechts gelöst. Kein Blut. Kein Konflikt. Kooperation ist das dominierende Konzept für die Arktis.“
Arktis – kein neuer Klondike
Der stellvertretende norwegische Außenminister Espen Barth Eide sagte, Herausforderungen und Chancen in der Arktis könnten nur Zusammenarbeit bewältigt und genutzt werden. „Die Vorstellung, dass die Arktis ein rechtsfreier Raum ist, dass wir einen neuen Klondike haben, ein Rennen um die Arktis, und dass wir kämpfen müssen, um sie nicht zu verlieren“, sei ein falscher Ansatz. Für die Festlegung von Souveränitätszonen gebe es das Seerecht. „Der Arktische Ozean ist ein Ozean, und Ozeane verbinden. Er verbindet drei Kontinente, Nordamerika, Europa und Asien “, meinte Barth Eide. Die Einigung zwischen Russland und Norwegen über die Barents-See zeige, dass es Wege der Beilegung von Differenzen gebe. Dass Norwegen und andere Arktisstaaten zugleich in ihre militärischen Kapazitäten, Fregatten und Schiffe für die Küstenwache investierten, sei kein Widerspruch zu Kooperation. „Das ist normal, nicht dramatisch.“ Jeder Staat habe souveräne Rechte und sollte die Kapazität haben, in seinen Gewässern präsent zu sein. „Es ist ein Missverständnis zu glauben, dass man in Militär nur investiert, weil man glaubt, dass es einen Krieg geben wird.“ Die meisten Investitionen dienten auch dazu, bei Unglücken besser helfen zu können.
Gerd Braune
© Gerd Braune
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