Wachsende Bedeutung des
Nordpolraums steigert
Interesse am „Arctic Council“

Ottawa, 13. Mai 2013. Der Arktische Rat ist nicht mehr das obskure Gremium, das er bei seiner Gründung 1996 in Ottawa war. Wachsendes Interesse am Nordpolraum hat auch das Interesse am „Arctic Council“ gesteigert. Immer mehr Länder wollen als Beobachter zugelassen werden, um bei der künftigen Nutzung der Arktis mitreden zu können, darunter die Europäische Union. Am Mittwoch treffen sich die Außenminister der acht Arktisstaaten im schwedischen Kiruna.
Arktischer Raut hat sich zum wichtigsten Kooperationsgremium der Polarstaaten entwickelt

„Die Welt will hinein“, sagt der kanadische Politikprofessor Whitney Lackenbauer. „Arktische Angelegenheiten sind nicht mehr die stille Domäne der arktischen Staaten. Die tauende Region verlangt nun internationale Aufmerksamkeit.“

In Kiruna wird der Vorsitz des Arktischen Rates von Schweden auf Kanada übergehen. Alle acht Staaten – Kanada, USA, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Island und Russland – hatten den Vorsitz inne. Nun beginnt der zweite Zyklus. Das Besondere am Arktischen Rat ist die Beteiligung der Ureinwohner des Polargebiets, die als „Permanente Teilnehmer“ ein Mitspracherecht haben. Der Arktisrat hat sich zum wichtigsten Entscheidungs- und Kooperationsgremium des Nordpolarraumes entwickelt. 2011 hatte er den ersten international bindenden Vertrag, eine Vereinbarung über Zusammenarbeit bei Such- und Rettungsaktionen nach Unglücken, verabschiedet. Nun folgt eine Vereinbarung über „Vorbereitung und Reaktion auf Ölverschmutzung des Eismeeres“. Zudem soll mit der Kiruna-Deklaration die Richtung der Entwicklung der Arktis vorgegeben werden.

Das Interesse an der Arktis hat seit 2007 drastisch zugenommen. Jenes Jahr brachte ein dramatisches Abschmelzen des Meereisfläche im Sommer, die die Perspektive eines in wenigen Jahrzehnten zumindest im Sommer kurzzeitig eisfreien Ozeans eröffnete. Die Russen erhoben mit der Versenkung ihrer Flagge direkt am Nordpol zugleich ihren Anspruch auf wirtschaftliche Nutzung des Meeresbodens.

In welchem Ausmaß Rohstoffe inmitten des Arktischen Ozeans liegen, ist unbekannt. Nördlich des Polarkreises werden auf dem Festland und im Meer, vor allem in der 200-Seemeilenzonen, gewaltige Öl- und Gasmengen vermutet. Nach Schätzungen des US-Geologischen Dienstes USGS könnten es 90 Milliarden Barrel Öl und annähernd 50 Billionen Kubikmeter Erdgas sein. Dies würde 13 Prozent der unentdeckten, mit heutiger Technologie abbaubaren Ölvorkommen und 30 Prozent der unentdeckten Erdgasvorkommen entsprechen. Die Schifffahrt auf der Nordost- und und der Nordwestpassage entlang Sibiriens und durch Nord-Kanada nimmt zu. Die Routen werden aber weniger als Transitrouten benutzt, sondern vor allem als Zielverkehr zu Gemeinden und Rohstofflagern.

Obwohl die Arktisstaaten stets ihren Willen zu Kooperation betonen und sogar gemeinsame Militärmanöver veranstalten, ist immer wieder von Militarisierung der Arktis die Rede. Der kanadische Sicherheitsexperte Rob Huebert empfiehlt dem Arktischen Rat, nicht nur über Wirtschaft und Umweltschutz, sondern auch über Militär und Sicherheit zu sprechen. Dies war 1996 bei Gründung des Gremiums aber ausdrücklich vom Mandat des Arktischen Rates ausgeschlossen worden.

Kanada möchte in den zwei Jahren seines Vorsitzes vor allem die wirtschaftliche Entwicklung des Nordens fördern und die überwiegend von Ureinwohnern wie den Inuit und Sami bewohnten Gemeinden stärken. Dies solle das Ziel aller Initiativen des Arktischen Rates sein, sagte die zuständige Ministerin Leona Aglukkaq, eine Inuk-Frau aus derm kanadischen Arktisterritorium Nunavut.

Während vor allem Länder wie Kanada und Russland die Arktis als ihren Hinterhof betrachten, sehen Außenstehende die Region als internationales Gebiet. Die Europäische Union blickt mit Spannung auf die Sitzung des Rates. Drei EU-Staaten, Dänemark, Schweden und Finnland, sind Mitglieder, zudem haben sechs EU-Staaten, darunter Deutschland, bereits den Beobachterstatus. Dies ermöglicht es ihnen, in Arbeitskreisen Diskussionsbeiträge zu leisten.

Aber die EU will nun als Staatengemeinschaft den Beobachterstatus bekommen. „Wir wollen eine noch größere Rolle spielen“, sagt der EU-Botschafter in Kanada, Matthias Brinkmann, der unter anderem darauf verweist, dass die EU jährlich rund 20 Millionen Euro für Arktisforschung ausgibt. Auch beim Schiffsbau und der Rohstoffförderung könnte Europas Expertise helfen. Die EU hat zugesichert, den Vorrang der Arktisstaaten und der Ureinwohnervölker zu akzeptieren. Mit ihrem Importverbot für Robbenprodukte hat die EU bei den Inuit aber eine tiefgehende Aversion ausgelöst, die ihr nun erheblich schaden könnte. Die Inuit von Nunavut haben zu verstehen gegeben, dass sie der EU den Beobachterstatus nicht geben wollen. Sie werfen den Europäern eine Missachtung ihres Lebensstils und Kolonialismus vor. Arktisstaaten und Ureinwohner befürchten, dass das Gewicht der Beobachter „von außen“ zu stark werden und ihren Interessen entgegenlaufen könnte. Kanada hatte schon vor zwei Jahren die Aufnahme der EU verzögert. Da Entscheidungen des Rates im Konsens fallen, würde ein Nein Kanadas den Beobachterstatus für die EU blockieren. Was zu Belastungen der Beziehungen zwischen Kanada und der EU führen könnte, die sich derzeit in der Endphase der Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen befinden.

Gerd Braune

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