Russland bietet Kanada
Kooperation in der Arktis an

Ottawa, 4. März 2012. Russland bietet Kanada eine engere Zusammenarbeit bei der Festlegung der Hoheitsgebiete im Arktischen Ozean an. Der russische Premierminister und voraussichtliche kommende Präsident, Wladimir Putin, machte dieses überraschende Angebot in einem Gespräch mit der kanadischen Zeitung Globe and Mail. Ein Sprecher von Premierminister Stephen Harper sagte, Kanada begrüße „jedwede Kooperation“.
Putin fordert zu gemeinsamer Arbeit bei Festlegung des Kontinentalschelfs auf

Die Initiative Putins zeigt erneut, dass trotz vereinzelten Säbelrasselns die Staaten des Arktisraumes die Zusammenarbeit suchen und von „kaltem Krieg in der Arktis“ nicht die Rede sein kann. Kanada, Russland, die USA, Dänemark-Grönland und Norwegen sammeln zur Zeit wissenschaftliche Daten, um im Eismeer ihren Anspruch auf den Festlandssockel über die 200-Seemeilen-Zone hinaus zu untermauern. Dort werden beträchtliche Mengen an Rohstoffen vermutet. Der Rückgang des Meereises im Sommer könnte die Erschließung langfristig interessant machen. Das Verfahren zur Festlegung der Grenzen wird durch die UN-Seerechtskonvention geregelt.

"Gemeinsames wissenschaftliches Team"

Im Gespräch mit Globe-Chefredakteur John Stackhouse sagte Putin, er werde sich für ein „gemeinsames wissenschaftliches Team“ einsetzen. Putin verwies darauf, dass Russland und Norwegen 2010 nach jahrzehntelangen Verhandlungen die Grenzen in der Barents-See einvernehmlich festgelegt hatten. „Die Grenze des Kontinentalschelfs muss von Wissenschaftlern bestimmt werden.“ Niemand müsse Russland unilateraler Aktionen verdächtigen. „Ja, wir erforschen das Schelf. Was ist daran falsch?“

Andrew McDougall, ein Sprecher Harpers, sagte, die Vermessung des arktischen Kontinentalschelfs sei „Teil des Plans, Kanadas Souveränität zu verteidigen. Wir heißen jedwede Kooperation Willkommen.“

Natürliche Verlängerung des Festlands

Russland hatte im Sommer 2007 eine Flagge auf dem Boden des Arktischen Ozeans am Nordpol platziert und damit symbolisch den Anspruch auf den Meerboden erhoben. Die Aktion hat rechtlich keine Bedeutung. Der Nordpol kann theoretisch von Russland, Kanada und Dänemark-Grönland beansprucht werden. Sie müssen aber beweisen, dass der Meeresboden die „natürliche Verlängerung“ ihres Festlands ist, um Ansprüche über die 200-Meilen-Zone hinaus erheben zu können. Dabei geht es nur um die Nutzung des Bodens. Schifffahrt und Fischfang werden nicht berührt, weil das Meer über die 200 Meilen hinaus internationales Gewässer bleibt.

Kanada wertet jetzt Daten aus, die im Sommer gesammelt wurden. Die Wissenschaftler sind schon seit mehreren Jahren positiv gestimmt, dass sie aufgrund seismologischer und Echolot-Untersuchungen Ansprüche über die 200 Seemeilen hinaus untermauern können. Sollte der Lomonossow- Rücken durch das Eismeer Kanada/Grönland und Sibirien verbinden, könnten sich die Hoheitsansprüche überlagern.

Russland und Kanada waren in den vergangenen Jahren die Staaten, die am häufigsten mit militaristischen Gebärden das Klima anheizten. Russlands Präsident Dimitri Medwedjew sagte, Russland werde seine Rechte notfalls militärisch verteidigen. Kanada zeigte mit Militärübungen in der Arktis Muskeln. In direkten Kontakten machten beide Staaten aber klar, dass sie an eine militärische Konfrontation nicht glauben. Zugleich verstärken die acht Arktisstaaten  die Zusammenarbeit im Arktischen Rat. Ihm gehören neben den Küstenstaaten des Arktischen Ozeans – Russland, Kanada, USA, Dänemark und Norwegen – noch Schweden, Finnland und Island an. Die Küstenstaaten erklärten zudem im Mai 2008 in der „Ilulissat-Deklaration“, widerstreitende Hoheitsansprüche friedlich im Rahmen des UN-Seerechtskonvention zu klären. Die russisch-norwegische Barents-Einigung gilt Modell für Streitschlichtung.

Russisch-norwegische Einigung als Modell

Der kanadische Professor Peter Harrison sagte am Rande einer Tagung in Berlin, es sei „interessant“, dass in der Öffentlichkeit häufig der Eindruck bestehe, die Arktis sei ein Gebiet der Konfrontation.  „Die Arktis ist eines der besten Beispiele für Kooperation“, sagte er. Nach Einschätzung des jetzigen Verteidigungsministers Norwegens, Espen Barth Eide, ist es kein Widerspruch zu Kooperation, dass die Arktisstaaten in militärische Kapazität investierten. Jeder Staat habe souveräne Rechte und sollte fähig sein, in seinen Gewässern präsent zu sein. „Es ist ein Missverständnis zu glauben, dass man in Militär nur investiert, weil man glaubt, dass es einen Krieg geben wird.“ Die meisten Investitionen dienten auch dazu, bei Unglücken helfen zu können, sagte er im vergangenen Jahr dieser Zeitung.

Gerd Braune

© Gerd Braune
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