Vertrauensbildende Maßnahmen
sollen Zusammenarbeit
in der Arktis fördern

Ottawa, 1. Juni 2012. Bei den kanadischen Streitkräften läuft die Planung für „Nanook“, das alljährlich im Sommer stattfindende Manöver in Kanadas Arktis, auf Hochtouren. Zur gleichen Zeit werden in der Barents-See Streitkräfte Norwegens, Russlands und der USA die Übung „Northern Eagle 2012“ durchführen. Die Arktisanrainer betonen ihren Willen zur Kooperation, bauen zugleich aber Militärpotenzial auf. Vertrauensbildende Maßnahmen und eine Stärkung des Arktischen Rates könnten das Klima der Kooperation festigen und Misstrauen und Konfrontation verhindern.
Nordpolarstaaten betonen Willen zu Kooperation und bauen zugleich militärische Kapazitäten auf

"In den meisten Stellungnahmen bekennen sich die Arktisstaaten zu Kollegialität und den Prinzipien des internationalen Rechts um sicherzustellen, dass die Arktis auf friedliche und kooperative Weise entwickelt wird“, sagt Professor Rob Huebert vom Zentrum für militärische und strategische Studien an der Universität Calgary. „Andererseits aber haben sie durch Wort und Tat deutlich gemacht, dass sie militärische Kapazitäten entwickeln wollen, um ihre nationalen Interessen in der Region zu schützen.“ Sie würden Kooperation bevorzugen, sich aber vorbehalten, notfalls einseitig Gewalt anzuwenden, um ihre Interessen zu verteidigen.

Wachsendes Interesse am Arktischen Rat

Die Öffnung der arktischen Gewässer durch Klimawandel und die Erwartung, in der Arktis auf dem Land und offshore große Mengen Rohstoffe zu finden, haben das Interesse an der Arktis gesteigert. Der Arktische Rat der acht Arktisstaaten USA, Kanada, Dänemark-Grönland, Norwegen, Schweden, Finnland, Island und Russland gewinnt an Bedeutung. In ihm haben die Ureinwohnervölker der Arktis – Inuit, Aleuten, Sami, indianische Völker und die Ureinwohnervölker Sibirien – ein Mitspracherecht als „ständige Teilnehmer“. Nichtarktische Staaten wie etwa Deutschland haben den Status eine „Ständigen Beobachters“. Starkes Interesse, Beobachterstatus zu bekommen und an Entscheidungen über die Entwicklung der Arktis beteiligt zu werden, äußern asiatische Länder und die Europäische Union.

Kanada beschreibt „Nanook“ als Souveränitäts- und Sicherheitsübung. Dabei geht es um Demonstration militärischer Stärke und Souveränität, aber auch um die Vorbereitung auf Unglücke und Rettungsmaßnahmen in arktischen Regionen. Auch die Mitte Mai durchgeführte russisch-norwegische Übung „Pomor“ und  „Northern Eagle“ im August enthalten militärische und zivile Komponenten.

Indizien für Kooperation

Es gibt zahlreiche Indizien, die für Kooperation und gegen alarmistische Einschätzungen wie „Wettlauf um Rohstoffe“ oder gar „Kalter Krieg in der Arktis“ sprechen. Dazu gehört die Ilulissat-Erklärung von 2008, in der sich die Küstenstaaten des Eismeers verpflichten, Konflikte bei der Festlegung des rohstoffreichen Kontinentalschelfs nach der Seerechtskonvention beizulegen. Russland und Norwegen beendeten 2010 nach jahrzehntelangen Verhandlungen ihren Konflikt über die Grenzziehung in der Barents-See bei. Im Frühjahr 2012 trafen sich Vertreter der Verteidigungsministerien der Arktisstaaten in Labrador zu Gesprächen über Kooperation in der Nordpolregion. Auch haben die acht Arktisstaaten im vergangenen Jahr ein erstes international bindendes Abkommen über gegenseitige Hilfe bei Rettungs- und Suchaktionen nach Unglücken in der Arktis unterzeichnet und planen weitere internationale Verträge.

Dem steht gegenüber, was Huebert „Remilitarisierung der Arktis“ bezeichnet. Zusammen mit Heather Exner-Pirot von der Universität Saskatchewan, Adam Lajeunesse (Universität Calgary) und Jay Gulledge vom Center for Climate and Energy Solutions (C2ES) in Arlington bei Washington hat er die Studie über „Klimawandel und internationale Sicherheit: Die Arktis als Frühindikator“ veröffentlicht. Die Autoren beschreiben darin die Widersprüche zwischen dem Aufbau eines „kooperativen Sicherheitsumfelds“ und dem Trend zur Modernisierung militärischer Kapazitäten in der Arktis. Sie verweisen auf die militärischen Investitionen Russlands, Kanadas und der skandinavischen Staaten und Pläne der USA, ebenfalls in der Arktis ins Militär zu investieren.

Arktischer Rat sollte auch Sicherheitsfragen diskutieren

Dieser Entwicklung müssten sich die Arktisstaaten stellen und ihre Politik und die Institutionen anpassen, um Sicherheit und Frieden zu erhalten, meinen Huebert und seine Kollegen. Dies könne durch bilaterale und multilaterale Vereinbarungen geschehen. Statt das Potenzial für einen militärischen Konflikt herunterzuspielen, sollten sich die Arktisstaaten damit auseinandersetzen. Das Mandat des 1996 geschaffenen Arktischen Rates beschränkt sich weitgehend auf Umweltschutz und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, Sicherheitspolitik wurde damals vom Mandat ausgenommen. „Der Arktische Rat sollte das bestehende Verbot  hinterfragen, militärische Sicherheitsthemen zu diskutieren“, sagt Huebert, der für vertrauensbildende Maßnahmen in der Arktis plädiert.

So sieht es auch der Politologe Michael Byers von der Universität British Columbia: „Dem Arktischen Rat sollte erlaubt werden, jedes Thema zu diskutieren, das für die Arktis relevant ist. Dazu gehört auch militärische Sicherheit.“ Der Arktische Rat befasse sich bereits mit militärischen Angelegenheiten, da bei Suche und Rettung das Militär eine wichtige Rolle spiele. Das Friedensforschungsinstitut SIPRI in Stockholm stellt trotz der Investitionen in Streitkräfte und Militärausrüstung und „einigen Spannungen“ in der Region fest: „Kooperation ist stärker zu sehen als Konflikt.“ Dennoch sollten Sorgen über die Stabilität in der Arktisregion nicht völlig ignoriert werden. SIPRI empfiehlt „zusätzliche militärische vertrauensbildende Maßnahmen und Regeln, um das Risiko von Verdächtigungen und Missverständnissen in der Zukunft zu mindern“.

Das „Munk-Gordon Arctic Security Program“ in Toronto schlägt Kanada, das in 2013 wieder den Vorsitz des Arktischen Rates übernehmen wird, Initiativen zur Stärkung des Gremiums vor. Der Arktische Rat sollte zunehmend zu einem „Verhandlungsforum für neue bindende Vereinbarungen werden“, heißt es in dem jetzt veröffentlichten Dokument „Kanada als eine arktische Macht“. Der Rat sollte auch die Schaffung „militärischer Foren als vertrauensbildende Initiativen und sichtbares Zeichen arktischer Kooperation“ fördern.

Verwendete Studien:

Climate Change and International Security - The Arctic as a Bellwether: Rob Huebert, Heather Exner-Pirot, Adam Lajeuness, Jay Gulledge; Center for Climate and Energy Solutions, Arlington
https://www.arctic-report.net/wp-content/uploads/2012/05/arctic-security-report.pdf

Canada as an Arctic Power: Preparing for the Canadian Chairmanship of the Arctic Council; Presented by the Munk-Gordon Arctic Security Program (Walter & Duncan Gordon Foundation and Munk School of Global Affairs, Mai 29, 2012
https://www.arctic-report.net/wp-content/uploads/2012/06/Canada-as-an-Arctic-Power.pdf

© Gerd Braune
Die auszugsweise Übernahme dieses Textes ist nur mit dem Quellenhinweis „Gerd Braune/www.arctic-report.net“ gestattet. Die vollständige oder weitgehende Verwendung zur Publikation bedarf meiner vorherigen Zustimmung