US-Forscher werten
Gashydrate als wichtige
Energiequelle der Zukunft

Ottawa, 13. November 2008. Gashydrate können nach Einschätzung des US-Innenministeriums bei der künftigen Energieversorgung eine wichtige Rolle spielen. Allein die im Permafrostboden im Norden Alaskas und im küstennahen Meeresboden des Arktischen Ozeans vermuteten und mit der heutigen Technik förderbaren Gashydrate, Verbindungen von Eis und Methan, könnten genug Erdgas liefern, um 100 Millionen durchschnittliche Wohnhäuser in den USA zehn Jahre lang zu heizen, errechnete die Fachbehörde US Geological Survey (USGS).
Vorkommen im Permafrostboden Alaskas und im küstennahen Meeresboden vermutet

Allerdings sind weitere Studien notwendig um zu zeigen, ob Gashydrate wirtschaftlich gewonnen werden können. Zudem bestehen Umweltrisiken: Sollte bei der Förderung  Methan in die Umwelt entweichen, würde es den Treibhauseffekt verstärken. Die Studie ist nach US-Angaben die erste über bisher unentdeckte, mit heutiger Technologie abbaubare Gashydrat-Vorkommen. Als „unentdeckt“ gelten die Vorkommen, weil sie bisher noch nicht gefördert wurden, aufgrund der geologischen Strukturen aber als gesichert gelten kann, dass sie in diesem Umfang vorhanden sind.

Die Daten deuteten darauf hin, „dass Gashydrate ein beträchtliches Potenzial haben, zum Energiemix in den USA und in der gesamten Welt beizutragen“, sagte US-Innenminister Dirk Kempthorne am Mittwoch. Er lobte Gashydrate als „sauber verbrennende Erdgasquelle“ und sieht einen „Paradigmenwechsel“ bei der Versorgung mit Erdgas. Auf 85,4 Billionen Kubikfuß, rund 2,4 Billionen Kubikmeter, werden die Gashydrat-Vorkommen an Alaskas North Slope, eines der größten Öl- und Erdgasfelder der USA, geschätzt. Dabei handelt es sich nur um einen Bruchteil der weltweit angenommenen Lager.

Auch Europäer sehen Potenzial der Methan-Wasser-Verbindung

Auch das bundesdeutsche Forschungsprogramm „Geotechnologien“, das vom Forschungsministerium und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, berichtet, bisherige Untersuchungsergebnisse sprächen dafür, „dass weltweit ungefähr doppelt soviel Kohlenstoff in Gashydraten gebunden ist wie in allen bekannten Lagerstätten fossiler Brennstoffe - Kohle, Erdöl und Erdgas - zusammen“. Die weltweit aus Gashydraten gewinnbaren Gasmengen würden auf etwa 1500 Billionen Kubikmeter geschätzt, etwa das sechsfache der bekannten Erdgasvorräte. Dies umfasst aber alle Gashydrate, nicht nur die mit heutiger Technik förderbaren.

Natürliche Gashydrate, auch Clathrate genannt, sind feste, eisähnliche Verbindungen aus Gas und Wasser. Damit sie sich unter natürlichen Bedingungen bilden, sind Temperaturen unter fünf Grad Celsius und hoher Druck von mehr als 50 bar erforderlich. Diese Bedingungen herrschen im Permafrostboden Alaskas, Kanadas und Sibiriens sowie im Meeresboden. Im Meer werden vor allem an den Kontinentalhängen große Gashydrat-Vorkommen vermutet, nicht nur in den Eismeeren, sondern rund um den Erdball, etwa im Golf von Mexiko, an der Westküste Kanadas, im Pazifik vor Korea und Japan, in der Kongo-Mündung und vor Marokko.

Herrschen die notwendigen Druck- und Temperaturbedingungen, können Gashydrate entstehen: Wassermoleküle bilden wie ein Käfig ein festes Gitter mit Hohlräumen, in denen Gasmoleküle eingeschlossen sind. Dabei kann es sich um Gase wie Methan, Kohlendioxid oder Schwefelwasserstoff handeln.

Sensibles Gleichgewicht mit Umwelt

Gashydrate stehen aber, wie „Geotechnologien“ berichtet, in einem „sensiblen Gleichgewicht mit den natürlichen Umweltbedingungen“. Änderungen von Druck und Temperatur destabilisieren sie und führen zur Freisetzung der Gase. Methangas würde in der Atmosphäre erheblich zum Treibhauseffekt beitragen, weil es 30 mal intensiver als Kohlendioxid ist, heißt es in dem Arbeitspapier „Gashydrate im Geosystem“. Würden durch Temperaturanstieg der Meere Gashydrate aufgelöst, hätte dies auch Folgen für die Kontinentalhänge: Gashydrate verleihen ihnen Stabilität. Ohne Gashydrate könnten Hänge abrutschen und Flutwellen auslösen.

Die USGS und der noch amtierende Innenminister Kempthorne sprechen allerdings nur von Gashydrat-Förderung auf dem Land und im küstennahem Gewässer, wenige Kilometer von der Küste entfernt. Der Minister und USGS-Direktor Mark Myers äußerten sich überzeugt, dass mit den bei Öl- und Gasförderung angewendeten Techniken die Freisetzung von Methan vermieden werde. Wie bei der konventionellen Erdgasförderung soll der Druck verringert werden und die Gase sollen direkt in Verarbeitungsanlagen und Pipelines gelangen. Es gebe eine „erprobte Technologie, um das Gas einzudämmen“, sagte Myers. Bereits jetzt müsse bei Anbohren von Gas- und Ölfeldern darauf geachtet werden, Gashydrat-Lager nicht zu destabilisieren.

CO2-Bildung beim Verbrennen von Methan

Professor Gerhard Bohrmann vom Zentrum für Marine Umweltforschung der Universität Bremen sieht in Gashydraten ebenfalls ein großes Potenzial. „Allerdings sind wir noch nicht so weit zu sagen, dass das der große Beitrag zum Energiemix ist.“ Die deutsche Öl- und Gasindustrie sei bei Gashydraten sehr lange zurückhaltend gewesen, beteilige sich jetzt aber am CO2- und Methan-Forschungsprojekt SUGAR. Das größte Problem bei Methan sei die CO2-Bildung beim Verbrennen. CO2 dürfe aber nicht in die Atmosphäre abgegeben werden. „Daher sind Gashydrate in Europa nicht so populär.“ Gashydrate seien aber allein schon wegen ihrer großen Mengen interessant. „Wir können das nicht ignorieren“, sagte Bohrmann.

Gerd Braune

© Gerd Braune
Die auszugsweise Übernahme dieses Textes ist nur mit dem Quellenhinweis „Gerd Braune/www.arctic-report.net“ gestattet. Die vollständige oder weitgehende Verwendung zur Publikation bedarf meiner vorherigen Zustimmung

Der Text erschien redaktionell bearbeitet in
Handelsblatt (14. November 2008)
Luxemburger Wort (15. November 2008)
Stuttgarter Zeitung (22. November 2008)
Bitte beachten Sie, dass das deutsche Forschungsprogramm "Geotechnologien" heißt, nicht "Gastechnologien". Der Fehler beruht auf einem Versehen des Autors.

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