Tiertragödie in Kanadas Arktis

Pond Inlet/Ottawa, 30. November 2008. In Kanadas Arktis vollzieht sich eine Tiertragödie. Im Eismeer nahe der Gemeinde Pond Inlet auf der Insel Baffinland wurden rund 500 Narwale von Eis eingeschlossen. Um ihnen ein qualvolles Ertrinken und Ersticken unter der Eisdecke oder einen Hungertod zu ersparen, werden sie von Inuit-Jägern getötet. Bis zum Wochenende wurden bereits annähernd 400 Tiere mit Gewehren oder Harpunen erlegt, teilte Kevin Hill vom kanadischen Ministerium für Fischerei und Ozeane auf Anfrage mit.
In Eis gefangene Narwale werden getötet, um ihnen einen langen Todeskampf zu ersparen

Noch mindestens 100 halten sich rund um etwa 20 Luftlöcher auf, an denen sie auftauchen um Luft zu holen. Die Luftlöcher haben nur einen Durchmesser von etwa zwei Meter. Viele Tiere haben sich bereits verletzt und sind völlig erschöpft, heißt es in Berichten aus Pond Inlet.

Narwale werden vier bis fünf Meter lang. Markantes Kennzeichen ist bei den Männchen der Stoßzahn, der ein bis zwei Meter lang ist, im Extremfall sogar drei Meter erreichen kann. Er ist die Fortsetzung des linken Schneidezahns des Oberkiefers. Inuit fertigen daraus Kunstgegenstände an. Männchen werden bis zu 1600, Weibchen etwa 1000 Kilgramm schwer.

Offenbar versagte der Instinkt

Wale benötigen als Lungenatmer offenes Wasser um auftauchen zu können. Normalerweise führt sie der Instinkt bei Wintereinbruch ins offene Meer. Vor eineinhalb Wochen aber entdeckten Inuit im zufrierenden Eclypse-Sund die Luftlöcher, in die sich die Wale drängten. Zunächst waren 50 bis 200 gezählt worden. Dann ergab eine genauere Untersuchung, dass es rund 500 sind. Die Luftlöcher seien bereits 40 Kilometer vom offenen Eismeer entfernt, sagte Hill. Diese Distanz könnten die Wale unter der Eisfläche nicht mehr zurücklegen, zumal sie bereits geschwächt sind. Auf engem Raum konzentriert finden sie im Wasser nicht genug Nahrung. Nach Angaben der Behörden kommt es immer wieder vor, dass einige Wale nicht rechtzeitig ins offene Meer abziehen. Eine solch große Herde wurde letztmals aber vor etwa 60 Jahren bei Baffinland von Eis eingeschlossen.

Fleisch wird in Inuit-Gemeinden verteilt

Zunächst war überlegt worden, mit einem Eisbrecher den Walen einen Weg ins offene Meer zu bahnen. Eisbrecher aber machen beim Zermalmen des Eises einen ohrenbetäubenden Lärm, was die Tier von der Eislöchern vertreiben und damit ebenfalls ihren sicheren Tod bedeuten würde. Daher entschieden die Behörden, die Wale zur Jagd freizugeben. Das Fleisch wird unter mehreren Gemeinden im kanadischen Territorium Nunavut verteilt.

Die Inuit Pond Inlets haben jährlich eine Jagdquote von 130 Narwalen, haben diese Quote in den vergangenen Jahren aber nicht ausgeschöpft. Die Narwalpopulation im kanadischen Eismeer umfasst etwa 21.000 Tiere. Daneben besteht eine große Walgruppe östlich von Grönland. Das Töten der 500 Tier dürfte keine maßgeblichen Folgen für den Walbestand haben, sagte Kevin Hill. Wissenschaftler würden dies aber noch genauer untersuchen und falls notwendig die Jagdquoten der nächsten Jahre ändern.

Gerd Braune

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