Shell verzichtet in diesem Jahr
auf Ölsuche im Arktischen Ozean

Ottawa/Anchorage, 28. Februar 2013. Der Mineralölkonzern Royal Dutch Shell wird seine umstrittene Ölsuche im Arktischen Ozean in diesem Jahr nicht fortsetzen. Pannen bei und nach den Probebohrungen im Eismeer im vergangenen Sommer hatten bei Umweltschützern Befürchtungen bestärkt, dass die Ölsuche im Arktischen Ozean nicht sicher betrieben werden kann. Die US-Regierung hatte im Januar bereits eine umfassende Überprüfung der Shell-Aktivitäten angeordnet.
Nach mehreren Pannen werden Probebohrungen im Eismeer ausgesetzt

Shell teilte am Mittwoch mit, dass die Explorationsbohrungen in der Tschuktschen-See zwischen Alaska und Sibirien und in der Beaufort-See nördlich von Alaska in 2013 ausgesetzt würden. Die Pause würde genutzt, um die Ausrüstung und die Explorationspläne „für eine Wiederaufnahme der Aktivitäten in einem späteren Stadium vorzubereiten“. Shell ist nach Aussage des zuständigen Direktors Marvin Odum entschlossen, die Ölsuche fortzusetzen. Das Unternehmen nannte hierfür aber keinen festen Zeitpunkt. Die Ölsuche sei „ein langfristiges Programm, das in einer sicheren und wohlüberlegten Weise verfolgt“ werde. Der Sprecher von Shell Alaska, Curtis Smith, sagte nach Angaben der Anchorage Daily News, eine Wiederaufnahme der Bohrungen in 2014 sei möglich.

Gegen den Protest von Umweltschützern hatte Shell im vergangenen Sommer und Herbst in den beiden zum Arktischen Ozean gehörenden Meeren zwei Bohrlöcher gesetzt. Dabei handelte es sich aber nur um „top-hole“-Bohrungen, die nicht in tiefe ölführende Erdschichten vordrangen. Shell hatte 2008 für 2,1 Milliarden US-Dollar Förderlizenzen in der Tschuktschen-See erworben. Geschätzt wird, dass im Äußeren Kontinentalschelf vor Alaska – sowohl in der zum Arktischen Ozean gehörenden Tschuktschen- und Beaufort-See als auch in der Bering-See und im nordpazifischen Golf von Alaska – unentdeckte, technisch abbaubare Ölreserven von 26 Milliarden Barrel und Gasreserven von 3,7 Billionen Kubikmeter liegen. Für die Bohrungen setzte Shell ein Bohrschiff und eine Bohrinsel ein, die Noble Discoverer und die Kulluk. Bereits vor Beginn der Bohrungen war auf einem Begleitschiff die Sicherheitsglocke, die im Unglücksfall Öl auffangen sollte, bei einem Test in einem Hafen im US-Staat Washington beschädigt worden. Nachdem Ende Oktober die Bohrungen mit einsetzender Eisbildung eingestellt worden waren, stellte die Küstenwache mehrere Verletzungen von Sicherheitsstandards auf der Noble Discoverer fest. Zudem riss im Januar beim Abschleppen der Kulluk das Schlepptau. Die Kulluk lief im Golf von Alaska in der Nähe der Kodiak-Insel an einer kleinen Insel auf Grund.

Angesichts schwindender Ölreserven auf dem Festland Alaskas bei Prudhoe Bay soll Öl aus dem Ozean die Transalaska-Pipeline nach Valdez wieder füllen, die derzeit weit unter Kapazität betrieben wird. Shell betont stets, dass es in der Lage ist, die Ölförderung im Eismeer sicher auszuführen. Umweltschützer fordern dagegen den Verzicht auf offshore-Ölbohrungen im Eismeer. Sie befürchten im Falle eines Ölunglücks katastrophale Auswirkungen auf das sensible Ökosystem, das Heimat von Eisbären, Walen, Robben und Wasservögeln ist. Trotz des Rückgang des Meereises im Sommer ist der Arktische Ozean nur wenige Wochen oder Monate weitgehend eisfrei, wobei allerdings auch dann noch große Eisfläche in die Tschuktschen- und Beaufort-See getrieben werden können.

Die Pannen von Shell sind für die Umweltschützer Beleg, dass die Industrie technisch noch nicht so weit ist, sicher im Eismeer Öl zu fördern. Für die Umweltorganisation Oceana sagte ihr Sprecher Mike LeVine, die Entscheidung von Shell „sei die erste gute Entscheidung, die wir von Shell gesehen haben“. Die Erlaubnis, dass Shell im Arktischen Ozean nach Öl suchen durfte, sei „voreilig“ gewesen. „Angesichts der desaströsen Saison 2012 müssen unsere Regierungsbehörden die Gelegenheit nutzen, ihre Entscheidung zu überdenken, im Arktischen Ozean nach Öl zu suchen.“

Gerd Braune

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