Ölfirmen bieten Rekordbetrag
für Förderrechte im Eismeer

Ottawa, 7. Februar 2008. Trotz Protesten von Umweltschützern und demokratischen Abgeordneten des Repräsentantenhauses hat das US-Innenministerium am Mittwoch Lizenzen für Öl- und Gassuche in der Tschuktschen-See, einem Teil des Eismeeres, verkauft. Der Lizenzverkauf in Anchorage im Bundesstaat Alaska ergab einen Rekordbetrag von fast 2,7 Milliarden Dollar (rund 1,8 Milliarden Euro). In der Tschuktschen-See werden Reserven in der Größenordnung von 15 Milliarden Barrel Rohöl und zwei Billionen Kubikmeter Erdgas vermutet. Das Gebiet ist Lebensraum von Eisbären, Walen, Robben und Meeresvögeln.
Lizenzen für Öl- und Gassuche in der Tschuktschen-See für 2,7 Milliarden Dollar verkauft

Der Verkauf demonstriere das gestiegene Interesse der Ölindustrie an diesem Gebiet des Äußeren Kontinentalschelfs, teilte der zum Innenministerium gehörende Minerals Management Service (MMS) mit. Noch nie wurde für Förderlizenzen an der Eismeerküste Alaskas so viel Geld geboten. Insgesamt gingen 667 Gebote für 488 Parzellen in dem 120.000 Quadratkilometer großen Gebiet der Tschuktschen-See ein, die zwischen Alaska und Russland liegt. Das höchste Gebiet für eine Parzelle kam von Shell. Für eine „lease“ in einer ölreichen Parzelle bot Shell 105 Millionen US-Dollar.

Lease hat Laufzeit von zehn Jahren

Von „historischen Resultaten“ sprach MMS-Direktor Randall Luthi. Die Öl- und Gasressourcen der Tschuktschen-See seien lebenswichtig für die Wirtschaft Alaskas und der USA. Vor der endgültigen Vergabe der Lizenzen wird jedes einzelne erfolgreiche Gebot nochmals überprüft. Für die Förderung können Auflagen zum Schutz der Umwelt erlassen werden. Bereits in den 80-er Jahren waren Förderlizenzen für die Tschuktschen-See verkauft worden, die jedoch nur zu einigen Probebohrungen führte. Aus Kostengründung wurde damals kein Öl gefördert.

Mit dem Erwerb der „lease“, die eine Laufzeit von etwa zehn Jahren hat, erhält das Unternehmen das Recht, in dem Gebiet Öl und Gas zu fördern. Shell war das bei weitem erfolgreichste Unternehmen, das rund die Hälfte der Lizenzen erwirbt und dafür etwa zwei Milliarden Dollar investierte. An zweiter Stelle folgt ConocoPhillips.

„Naturerbe höchstbietend verkauft“

Während die Regierung und die Industrie zufrieden sind, fällt das Urteil der Umweltschützer ganz anders aus. Das Polareis der Tschuktschen-See ist Lebensraum unter anderem von Eisbären. Der ebenfalls zum Innenministerium gehörende Fish and Wildlife Service hatte vor wenigen Wochen die Entscheidung, ob der Eisbär in die Liste bedrohter Tierarten aufgenommen werden soll, verschoben. Nach Ansicht von Umweltverbänden war dies rechtswidrig und geschah, um den Verkauf von Öllizenzen nicht zu gefährden.

„Es ist ein trauriges Schauspiel, dass wir unser Naturerbe höchstbietend verkaufen“, erklärte Carter Roberts, Präsident des World Wildlife Fund (WWF) in Washington. Angesichts der Gefährdung des Eisbären durch den Klimawandel sei es „äußerst unverantwortlich, den Verkauf von Lizenzen durchzuführen ohne dass angemessene Schutzvorkehrungen für Eisbären getroffen wurden“, erklärte der WWF. Einige Bewohner von Küstengemeinden protestierten in Anchorage gegen die Lizenzvergabe, weil sie fürchten, dass die Aktivitäten der Industrie und mögliche Ölverseuchungen Fische und Wale vertreiben oder töten könnten, die sich für ihre Ernährung jagen. „Unser Ozean ist unser Garten“, sagte der Jäger Earl Kingik von Point Hope der Zeitung Anchorage Daily News.

Umweltschützer reichen Klage ein

Mehrere Umweltverbände haben zusammen mit Bewohnern von Küstengemeinden vor einem Gericht eine Klage gegen den Lizenzverkauf eingereicht. „Die Ölunternehmen wissen, dass wir der Ansicht sind, dass der Verkauf illegal ist. Wir hoffen, dass Gerichte am Ende die Vergabe von Lizenzen aufheben werden“, sagte Kassie Siegel vom „Zentrum für biologische Vielfalt“ in Tucson im US-Staat Arizona. Zudem haben Abgeordnete im Repräsentantenhaus einen Gesetzentwurf eingebracht, der zu einem stärkeren Schutz der Arktis vor wirtschaftlicher Ausbeutung führen könnte.

Gerd Braune

© Gerd Braune
Die auszugsweise Übernahme dieses Textes ist nur mit dem Quellenhinweis „Gerd Braune/www.arctic-report.net“ gestattet. Die vollständige oder weitgehende Verwendung zur Publikation bedarf meiner vorherigen Zustimmung

Dieser Text erschien redaktionell bearbeitet in
Frankfurter Rundschau
Basler Zeitung
Die Presse, Wien (8. Februar 2008)
Luxemburger Wort (11. Februar 2008)

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