Kleine Schritte beim Schutz der Eisbären

Iqaluit/Ottawa, 27. Oktober 2011. Die Anrainerstaaten der Arktis kommen bei der Ausarbeitung eines Aktionsplans zur Erhaltung der Eisbären nur langsam voran. In Iqaluit vereinbarten sie, beim nächsten Treffen in voraussichtlich zwei Jahren den Entwurf eines „circumpolaren“, für die ganze Arktis geltenden Aktionsplans zu diskutieren. Umweltschützer hatten gehofft, dass bereits in Iqaluit umfassende Beschlüsse zum Schutz der weißen Riesen getroffen werden könnten.
Treffen in Iqaluit bringt nicht den großen Fortschritt

Zwar konnten die Vertreter der fünf Staaten, in denen Eisbären leben – Kanada, die USA-Alaska, Russland, Norwegen und Dänemark-Grönland –, über Fortschritte bei der Erstellung nationaler Schutzpläne berichten, aber diese befinden sich teils noch in internen Abstimmungsprozessen. Der große Schritt, nationale Pläne zu einem international abgestimmten „Circumpolar Action Plan“ zusammenzuführen, konnte daher nicht vorgenommen werden.

„Viele von uns hatten gehofft, dass wir bei den Aktionsplänen zum Schutz und dem Erhalt der Eisbären und ihres Lebensraumes jetzt weiter sind. Es ist ganz wichtig, dass wir zusammenarbeiten und Fortschritte erzielen“, meinte nach dem Treffen der Wissenschaftler Steven Amstrup, der als Mitglied der Expertengruppen „Polar Bear Specialist Group“ der Weltnaturschutzunion IUCN an dem dreitägigen Treffen in der Hauptstadt des kanadischen Territoriums Nunavut teilnahm. Vertreter anderer Organisationen sprachen vom „Schneckentempo“, mit dem sich die Regierungen fortbewegen.

Klimawandel wichtigste langfristige Bedrohung

Nach Schätzungen der IUCN leben in der Arktis rund 25.000 Eisbären. Am Treffen in Iqaluit nahmen Vertreter der fünf „Eisbären-Staaten“ und der Inuit sowie mehrere NGOs teil. Die fünf Staaten hatten 1973 ein Abkommen zum Schutz der Eisbären ausgehandelt. Zunächst stand  die Einschränkung der Jagd im Vordergrund. Beim Treffen 2009 in Tromsoe anerkannten die Vertragsparteien dann: „Klimawandel stellt die wichtigste langfristige Bedrohung für Eisbären dar.“

Virginia Poter vom Umweltministerium Kanadas sagte nach dem Treffen, es sei über die Koordinierung der Schutzbemühungen gesprochen worden. „Wir gehen davon aus, dass wir einen Entwurf des Plans beim nächsten Treffen diskutieren werden.“ Konferenzteilnehmer rechnen damit, dass möglicherweise erst in vier Jahren ein Beschluss über einen international koordinierten Eisbärenschutz fallen wird.

Dennoch hat das Treffen nach Einschätzung des WWF Anstöße für Schutzprojekte in der hohen Arktis Nord-Grönlands und im kanadischen Archipel gegeben, wo das Meer das ganze Jahr über Eis führt. Der WWF arbeite zudem mit Inuit und den Gemeinden in Russland, Alaska und Nunavut zusammen, um die Zahl gefährlicher Begegnungen zwischen Menschen und Bären zu verringern.

Die Zeit wird knapp für die Bären

Allerdings wird die Zeit knapp für Eisbären. Steven Amstrup zeigte in Iqaluit auf, wie sich der Verlust von Meereis im Sommer und die längere eisfreie Zeit auf die Bären auswirkt: „Eisbären sind vom Meereis abhängig, um ihre Beute zu erlegen. Verlängerte Perioden ohne Eis bedeuten, dass mehr Eisbären hungern.“ Ein schlechter Sommer wie in diesem Jahr, der einen Rekordverlust an Eis brachte, sei nicht das Hauptproblem. Entscheidend sei der langfristige Trend, und dieser könne ohne Verringerung der Emission von Treibhausgasen nicht umgekehrt werden.

Angesichts der ausstehenden Entscheidungen über den globalen Klimaschutz und eine Nachfolgeabkommen für Kyoto müssten in der Zwischenzeit dringend Maßnahmen getroffen werden, „die das Vorkommen von Eisbären in den einzelnen Regionen der Arktis verlängern“, sagt Amstrup. „Wir brauchen klare, bedeutungsvolle Schritte hin zu einem Schutzplan für den ganzen Arktisraum“, hatte der WWF vor dem Treffen in Iqaluit gefordert. Eine Reihe von Maßnahmen bietet sich an. Schutzgebiete für Eisbären, in denen wirtschaftliche Entwicklung wie Öl- und Gasförderung nicht möglich ist, könnten ausgeweitet werden. Die zunehmende Schifffahrt und auch der Tourismus müssten reglementiert werden. All diese Schritte könnten dazu führen, den Stress für Eisbären und ihr Ökosystem durch Jagd, Umweltverschmutzung und menschliche Eingriffe zu reduzieren.

Misstrauen der Inuit

Zudem müssen Lücken in der Forschung geschlossen werden. Für mehrere Eisbärenbestände gibt es keine oder nur veraltete Schätzungen. Dies führt auch zu Kontroversen mit den Ureinwohnern. Nahe ihrer Gemeinden sehen die Inuit  immer mehr Bären und schließen daraus anders als die Wissenschaftler, dass die Zahl nicht ab-, sondern zunimmt. Die Inuit trauen der Wissenschaft nicht und setzen auf ihre traditionellen Kenntnisse. „Wir bezweifeln nicht, dass sie mehr Eisbären sehen“, sagt Amstrup. Aber er und andere Forscher glauben nicht, dass dies ein Hinweis auf eine steigende Bärenzahl ist. Sie führen dieses Phänomen darauf zurück, dass Bären durch den Schwund von Eis und Nahrungsmangel auf der Suche nach Futter an Land und in die Nähe der Menschen gedrängt werden.

Gerd Braune

© Gerd Braune
Die auszugsweise Übernahme dieses Textes ist nur mit dem Quellenhinweis „Gerd Braune/www.arctic-report.net“ gestattet. Die vollständige oder weitgehende Verwendung zur Publikation bedarf meiner vorherigen Zustimmung

Dieser Text erschien redaktionell bearbeitet
im Weser-Kurier (29. Oktober 2011) und im
Luxemburger Wort (30. Oktober 2011)

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