Kanada stößt bei Vermessung des Eismeers über den Nordpol hinaus

Ottawa, 2. Juni 2009. Kanada ist bei der Erkundung möglicher Gebietsansprüche im Arktischen Ozean in Gebiet vorgedrungen, das Russland beansprucht. Kanadische Vermessungsflüge führten über den Nordpol auf die Seite der nördlichen Halbkugel, die Sibirien zugewandt ist. Trotz demonstrativer Akte Moskaus wie dem Versenken einer Flagge am Nordpol gibt Kanada potenzielle Ansprüche auf den Meerboden am Pol nicht auf. Somit kann es am Nordpol zu konkurrierenden Hoheitsansprüchen zwischen Kanada und Dänemark-Grönland auf der einen und Russland auf der anderen Seite kommen.
Kollision mit russischen Hoheitsansprüchen möglich – Vermessung des Lomonossow-Rückens

Klimawandel, Rückgang des Polareises und die Hoffnung, Bodenschätze im Meer zu finden, haben das Interesse der Anrainerstaaten an der Ausweitung der Hoheitsrechte über die 200-Seemeilen-Zone hinaus verstärkt. Dabei geht es nur um die Nutzung des Meeresboden. Schifffahrts- und Fischereirechte sind nicht betroffen, weil dies internationale Gewässer sind. Nach der UN-Seerechtskonvention haben die Anrainer Ansprüche auf die Nutzung des Meeresbodens etwa zur Rohstoffförderung, wenn sie nachweisen können, dass er die natürliche Fortsetzung ihres Kontinents ist.

Lomonossow-Rücken durch das Eismeer

„Wir glauben aufgrund der bisher durch seismologische Tests gesammelten Daten begründen zu können, dass der Lomonossow-Rücken mit Nordamerika verbunden und eine Verlängerung des nordamerikanischen Kontinentalschelfs ist“, erläutert Jacob Verhoef vom Geological Survey of Canada. Der Lomonossow-Rücken geht durch das Eismeer von Kanada und Grönland bis nach Sibirien und führt am Nordpol vorbei. Dort versenkten die Russen im Sommer 2007 ihre Flagge, um ihren Souveränitätsanspruch zu erheben. Sie sehen den Rücken als Fortsetzung ihres Kontinentalsockels. Kanada will seine Daten nun von unabhängigen Wissenschaftlern prüfen lassen, bevor sie den UN vorgelegt werden.

Moskau hat in den vergangenen Monaten angekündigt, zur Sicherung seiner Interessen in der Nordpolarregion eine Art „Arktis-Armee“ aufzubauen. Auch die Kanadier stärken in der Arktis ihre Militärpräsenz. Unabhängig davon bemühen sich diese Staaten sowie Norwegen und die USA, ihre  Ansprüche auf den Meeresboden wissenschaftlich zu begründen.

Meerestiefe als wichtiges Kriterium

Kanada und Dänemark hatten in den vergangenen Jahren gemeinsam auf der Amerika zugewandten Seite des Eismeers Daten gesammelt. Im April und Mai drangen sie mit Vermessungsflügen erstmals in eine Region vor, in der Russland Ansprüche auf den Meeresboden erhebt. „Wir wollen sehen, wie weit der Lomonossow-Rücken reicht“, sagt Verhoef. Entlang des Lomonossow- und Alpha-Rückens wurden Messungen des Schwerefeldes vorgenommen.

Alle Beteiligten müssen klären, wie tief das Meer über dem Lomonossow-Rücken ist. Die Meerestiefe ist ein wichtiges Kriterium: Hoheitsansprüche eines Staates enden, wenn das Meer tiefer als 2500 Meter ist, selbst wenn der Boden geologisch immer noch die Fortsetzung des Kontinentalsockels ist. Gehört der Lomonossow-Rücken zu beiden Kontinenten, müssen überlappende Ansprüche im Rahmen desSeerechts geklärt werden.

Studie über Öl und Gas in der Arktis

Die US Geological Survey veröffentlichte jetzt eine detaillierte Studie über potenzielle Öl- und Erdgasvorkommen in der Arktis. USGA schätzt, dass 90 Milliarden Barrel Öl und somit 13 Prozent der unentdeckten globalen Ölvorkommen in der Arktis liegen könnten, zudem 30 Prozent der unentdeckten Gasvorkommen (44 Billionen Kubikmeter). Die Ölproduktion beläuft sich zur Zeit auf jährlich etwa 30 Milliarden Barrel. Der größte Teil der arktischen Öl- und Gasvorräte liegt aber in Küstennähe in Gebieten, die bereits jetzt Anrainerstaaten zugerechnet werden. Bisher gibt es keine Hinweise, dass das gesamte Meer rund um den Nordpol ein großes Ölfeld sein könnte. Er schätze, dass weniger als 12 Prozent der mittleren Ölressourcen außerhalb der 200-Meilen-Zone liegen, sagte der Wissenschaftler Don Gautier dieser Zeitung. Das Interesse am Eismeer dürfte dennoch nicht erlahmen. „Wir wissen noch nicht, was im tiefen Arktischen Ozean liegt, weil wir dort noch nicht gesucht haben“, sagte der Politikwissenschaftler Rob Huebert vom Zentrum für Militärische und Strategische Studien der Universität Calgary am Dienstag am Rande der Arktistagung „2030North“ in Ottawa. „Die Erfahrung sagt: Wenn wir suchen, finden wir was. Dies ist die treibende Kraft bei den Bemühungen um Ausdehnung von Hoheitsrechten.“

Gerd Braune

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Dieser Text erschien redaktionell bearbeitet am 6. Juni 2009 im Luxemburger Wort und am 8. Juni 2009 im Handelsblatt

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