Auch Kriege gehören zum Horrorszenario des Klimawandels

Ottawa, 6. Juni 2009. Das Szenario in Zeiten des Klimawandels ist anders als während des „Kalten Krieges“: Damals, meint der Militärexperte Gwynne Dyer, habe eine geringe Wahrscheinlichkeit bestanden, dass es zu einem Krieg zwischen Ost und West kommen könnte, die Folgen aber wären schwerwiegend gewesen. Heute dagegen gebe es ein hohe Wahrscheinlichkeit, dass Klimawandel zu Kriegen führen werde, bei ebenfalls gravierenden Folgen. Er ist überzeugt: die Veränderungen des Klimas werden militärische Konflikte auslösen, wenn es nicht gelingt, den Temperaturanstieg zu begrenzen - durch CO2-Reduzierung oder „Geo-Engineering“, das in den Klimakreislauf eingreift.
Militärexperte sieht hohe Wahrscheinlichkeit bewaffneter Konflikte in Tropen und Subtropen

Dabei blickt der kanadische Journalist und Militärhistoriker, der in London lebt, nicht auf die Arktis, wo sich die Anrainer des Eismeers einen von militärischer Aufrüstung begleiteten wissenschaftlichen Wettstreit um Hoheitsrechte liefern, Öl- und Gasreichtum vermutet wird und die Souveränität über Schifffahrtswege umstritten ist. Das wäre eigentlich zu erwarten gewesen am Ende der „2030North“-Konferenz, die das „Canadian Arctic Resources Committee“ und das Zentrum für militärische und strategische Studien der Universität Calgary in Ottawa veranstalteten.

„Geringes Konfliktpotenzial am Nordpol“

Aber Dyer schätzt das Konfliktpotenzial im Norden trotz des Säbelrasselns und das Versenken der russischen Flagge am Pol gering ein. Seine Argumente: Der Bedarf an Öl wird durch höhere Energieeffizienz langsamer steigen als bislang berechnet, Öl und Gas liegen nach jetzigen Kenntnissen vor allem an der Küste in geregelten Hoheitsgebieten. „Niemand glaubt, dass im Lomonossow-Rücken Kohlenwasserstoffe liegen“, sagt Dyer.

Sorge über „Irritationen“ in Arktispolitik

Auch Rob Huebert von der Universität Calgary sieht keine akute Gefahr für einen ernsthaften Konflikt in der Arktis, aber er setzt andere Akzente.  Anrainer wie Russland, Norwegen und die USA entwickelten militärische Kapazitäten in der Arktis. „Wir haben etliche Irritationen“, meint er. Die Arktis habe heute anders als in den 90-er Jahren strategische Bedeutung. „Es gibt einen Blizzard von Stellungnahmen zur Arktis, auch von Nicht-Arktis-Staaten“, sagt Huebert und verweist auf die Arktis-Erklärung der EU. „Die Arktis erlebt mit Klimawandel, Entwicklung von Rohstoffen und dem geopolitischen Interesse, das sie findet, eine massive Transformation.“ Die Frage sei, wie ein Klima der Kooperation aufrechterhalten werden könne.

Dyers Sorgen sind die Tropen und Subtropen. Selbst bei Einigung auf ein Nachfolgeprotokoll für Kyoto, worüber derzeit in Bonn verhandelt wird, sei es fraglich, ob der Temperaturanstieg unter zwei Grad halten könnten. Zwei Grad seien der „Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt“: Die Erwärmung des Ozeans und das Auftauen des Permafrostbodens würden Treibhausgase freisetzen und den Klimawandel vorantreiben, auch wenn wir unsere Emissionen senkten. „Wir können den Boden und den Ozean nicht wieder einfrieren.“ Dies werde Folgen für die Lebensmittelproduktion haben, und es werde „um so schlimmer, je näher wir an den Äquator kommen“. Zwei Grad höhere Temperaturen bedeuteten, dass Reis nicht mehr keimen könne, es bedeute mehr Regen und heißeren Boden, der Niederschläge verdampfen lasse, das Austrocknen von Flüssen und die Verwüstung von Landstrichen.

Kriege um Wasser und Lebensmittel?

„Länder, die ihre Menschen nicht ernähren können, werden diese Menschen exportieren“, sagt Dyer, der Kriege vor allem befürchtet, wenn Länder an den gleichen Flussläufen liegen und ein Staat dem anderen Wasser entziehe. Als Beispiel nannte er Irak, Syrien und Türkei am Euphrat und seinen Zuläufen, Pakistan und Indien am Indus. „Es kann sehr hässlich werden.“

Dyer glaubt, dass Wiederaufforstung und Sequestrierung nicht schnell genug wirkten. Einen möglichen Ausweg sieht er im „Geo-Engineering“. Dahinter stehen Eingriffe in den Naturkreislauf, die die Klimaerwärmung bremsen sollen: Sonnenstrahlung muss ins All reflektiert werden. Ein Vorschlag, den der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen verficht, sieht das massive Versprühen von Schwefeldioxid in der Stratosphäre vor. „Wir kennen dies vom Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen 1991“, sagt Dyer. Damals sei die globale Temperatur um ein halbes Grad gesunken. Aber er weiss, dass dies erhebliche Bedenken auslöst: „Wir haben schon alles vergiftet, lasst uns nun auch die Stratosphäre vergiften.“

„Lasst uns die Dächer weiß anstreichen“

Stattdessen bevorzugt er andere Konzepte: Von Spezialschiffen aus Wasserfontänen in die Höhe zu schießen und die Bildung von Wolken zu fördern, die Sonnenstrahlen reflektieren, oder ein Ansatz, der als „cool roof“ diskutiert wird: Er sieht vor allem vor, Dächer hell anzustreichen, weil dies mehr Sonnenlicht ins All zurückwirft. „Lasst uns die Dächer weiss anstreichen“, fordert Dyer. Das könne man an einem langen Wochenende machen.

Kritiker des „Geo-Engineering“ fürchten nicht nur langfristige negative Folgen für die Umwelt, sondern sehen dies auch als ein Versuch, in den Bemühungen um Emissionsenkung nachzulassen. Dyer aber glaubt, dass diese Konzepte berücksichtigt werden müssten, wenn eine Katastrophe verhindert werden soll: „Wir müssen Zeit gewinnen. Wir müssen uns mit diesen Dingen beschäftigen, bevor die Welt in den Krieg zieht.“

Gerd Braune

© Gerd Braune
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