Arktis birgt große
Öl- und Gasvorräte
Anchorage/Ottawa, 23. Juli 2008. In der Arktis liegen vermutlich 90 Milliarden Barrel Erdöl und annähernd 50 Billionen Kubikmeter Erdgas, die noch nicht entdeckt sind und nach dem heutigen Stand der Technik gefördert werden könnten. Die US-amerikanische Fachbehörde Geological Survey legte am Mittwoch eine Studie über Energievorräte im arktischen Raum nördlich des Polarkreises vor. Die Vorräte liegen überwiegend im Eismeer in Küstennähe, ein geringerer Teil auf Land.
USGS legt Schätzungen über Energieressourcen des Eismeeres vor
Die Daten dürften das Interesse der Arktisstaaten stärken, ihre Nutzungsrechte am Boden des Arktischen Ozeans über die 200-Meilen-Zone hinaus auszuweiten. Sie sind aber auch ein Dämpfer für diejenigen, die das gesamte Nordpolarmeer als großes, lukratives Ölförderfeld sehen: Im tiefen Ozeanbecken scheint wenig Potenzial für Öl- und Gasförderung zu liegen.
Von großem Interesse ist der Arktische Ozean dennoch für Ölunternehmen (Foto: Industrieanlagen in Anchorage), weil hier das Kontinentalschelf weiter ins Meer reicht als im Atlantik und im Pazifik. Über dem Schelf ist der Ozean meist weniger als 500 Meter tief. „Der extensive arktische Festlandssockel könnte das geografisch größte unerforschte künftige Gebiet für Petroleum sein, das auf der Erde verblieben ist“, stellt die USGS fest. Gegenwärtig versuchen die fünf Anrainerstaaten USA, Kanada, Dänemark, Norwegen und Russland, ihr Hoheitsgebiet nicht zuletzt wegen des möglichen Rohstoffreichstums auszudehnen. Donald Gautier, Wissenschaftler des US Geological Survey (USGS), betont allerdings, dass die Vorkommen vermutlich weitgehend in Bereichen des Ozeans zu finden seien, in denen die Hoheitsrechte durch die 200-Meilen-Zone bereits geregelt sind. Das tiefe arktische Becken dürfte dagegen weniger reich an Öl und Gas sein. Daher hält Gautier Erwartungen, der arktische Ozean sei ein El Dorado, für eine Übertreibung.
Rohstoffreichtum in 200-Meilen-Zone
Im Lichte der neuen Zahlen ist das Versenken einer russischen Flagge am Nordpol im vergangenen Jahr eher ein politischer als ein wirtschaftlich relevanter Akt: Die geologischen Formationen direkt am Nordpol und im Lomonossow-Rücken seien unter dem Aspekt der Ölgewinnung „nicht sehr interessant“, sagte Gautier. Die Wahrscheinlichkeit für die Gewinnung konventionellen Öls am Pol und im Lomonossow-Rücken, der sich durch das Meer von Sibirien nach Kanada/Grönland erstreckt, sei „sehr gering“.
Die USGS nahm ihre Berechnungen aufgrund der geologischen Struktur von 25 der 33 geologischen „Provinzen“ des Arktisraums nördlich des 66. Breitengrades vor. Die Wissenschaftler verglichen dabei die Bodenformationen dieser Region mit bekannten Formationen, aus denen Öl und Gas gefördert werden. Die USGS hatte bereits im Jahr 2000 eine vorläufige Schätzung aufgrund lückenhaften Datenmaterials vorgenommen. Damals war sie zu dem Ergebnis gekommen, dass 23,9 Prozent der geschätzten unentdeckten Ölreserven und 27,6 Prozent der Gasressourcen in den geologischen Provinzen der Arktis existieren.
Zahlen nach unten korrigiert
Diese Zahlen wurden nun nach unten korrigiert, auch wenn sie weiter imposant sind: Die vermuteten 90 Milliarden Barrel stellen13 Prozent der unentdeckten globalen Ölreserven dar, die rund 48 Billlionen Kubikmeter (1670 Billionen Kubik-Fuß) Erdgas etwa 30 Prozent der unentdeckten Gasreserven. Umgerechnet in Öl-Äquivalent addieren sich die Vorräte auf 412 Milliarden Barrel Öl oder 22 Prozent der unentdeckten, technisch abbaubaren Reserven der Welt. Gegenwärtig gibt es Gautier zufolge weltweit 1240 Milliarden (1,24 Billionen) Barrel nachgewiesene Reserven an konventionellem Öl. Darin nicht enthalten sind rund 175 Milliarden Barrel, die als „unkonventionelles Öl“ im Teersand Kanadas lagern.
84 Prozent der geschätzten Ressourcen in der Arktis liegen im Meer. Für die Ölgewinnung sind die Zonen Alaska, das amerasische Becken entlang des kanadischen Archipels bis nach Russland sowie das ostgrönländische Bassin interessant. Bei Gas liegt das Schwergewicht im westsibirischen Becken, im östlichen Barents-Becken und erneut in Arctic Alaska.
Keine Aussage über Rentabilitä
Die USGS-Experten machten deutlich, dass diese Zahlen auf Wahrscheinlichkeitsberechnungen beruhten und mit Risiken behaftet sind. Die Berechnung basiert zudem allein auf geologischen Daten und der heutigen Fördertechnik. Ob eine Förderung angesichts des vorhandenen Eises und bei größeren Tiefen wirtschaftlich rentabel ist, sagt diese Studie nicht. Die USGS will nun die Ressourcen in Relation zu möglichen Kosten setzen. Auch Umweltkosten wurden in dieser Studie nicht berücksichtigt.
Trotz der im Vergleich zu früheren Schätzungen zurückhaltenderen Bewertung sehen Analysten ein hohes Potenzial für Ölförderung im Arktischen Ozean, der durch Klimawandel immer mehr Eis verliert und zugänglicher wird. Die Vorräte seien „massiv“, sagte William Lacey von FirstEnergy Capital in Calgary der kanadischen Zeitung „Globe and Mail“. Die Daten unterstrichen, warum es „einige potenzielle Grenzdispute im Norden“ geben könnte.
Gerd Braune
© Gerd Braune
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