Mit dem Tauchboot unter dem arktischen Eis

Ottawa/Bremerhaven, 27. Juli 2010. Polarforscher des Alfred-Wegener-Instituts haben erstmals mit einem unbemannten Autonomen Unterwasserfahrzeug das arktische Gewässer unter Eis erkundet. Das vier Meter lange, torpedoförmige Unterwasserfahrzeug, das seine Mission ohne Verbindung zum Forschungsschiff Polarstern durchführte, wurde unter dichtem Treibeis eingesetzt. Den Forschern erschließen sich mit dieser Technologie neue Möglichkeiten, die eisbedeckten Polarmeere zu untersuchen. Einsatzort war die Framstraße zwischen Spitzbergen und Grönland bei etwa 79 Grad nördlicher Breite.

Forscher des Alfred-Wegener-Instituts setzen neue Technologie ein

Die Framstraße ist die einzige Tiefenwasserverbindung zwischen dem Nord-Atlantik und dem zentralen Arktischen Ozean. Der Arktische Ozean und der Austausch großer Wassermassen zwischen den beiden Meeren beeinflusst das Weltklima.

Die eisbedeckten Polarmeere sind „Gebiete, die für die Klimaforschung zentrale Bedeutung haben“, erläutert Thomas Soltwedel, wissenschaftlicher Leiter der Expedition. Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Es ist eines der 16 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, Deutschlands größter Wissenschaftsorganisation. Der Forschungseisbrecher Polarstern des Bremerhavener Instituts unternimmt zur Zeit seine 25. Arktisexpedition. „Wir sind eine der ersten Arbeitsgruppen, die eine derartige Untereis-Mission erfolgreich durchgeführt haben. Die gewonnenen Proben und Messwerte werden uns Aufschluss geben über die pflanzliche Produktion im Übergangsbereich zwischen dem permanent eisbedeckten Arktischen Ozean und seinen eisfreien Randbereichen“, sagt Soltwedel.

Autonome Unterwasserroboter

Unbemannte Unterwasserroboter werden seit vielen Jahren zu wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Zwecken vor allem in der Tiefsee eingesetzt. Dabei handelt es sich aber meist um „Remotely Operated Vehicle“ (ROV), die mit einem Schiff durch ein Kabel verbunden sind und darüber gesteuert werden. Das Kabel schränkt die Reichweite aber ein. Beim autonomen Tauchboot (Autonomous Underwater Vehicle/AUV) des Alfred-Wegener-Instituts wurden der Kurs, die Tauchtiefe und die Auftauchposition vor dem Einsatz in den Bordcomputer eingegeben. Das Fahrzeug führte dann seinen Auftrag ohne weitere Befehle von außen aus. Das Boot hat eine Tauchtiefe bis zu 3000 Metern und kann mit fünf bis sechs Stundenkilometern Geschwindigkeit eine Strecke bis zu 70 Kilometern zurücklegen. Sollte das Steuerungsprogramm versagen, kann das U-Boot über akustische Signale zwar geortet, aber nicht zum Schiff zurückgeleitet werden.

Das Tauchboot war mit Messinstrumenten bestückt, die während des einstündigen Tauchgangs Temperatur und Salzgehalt des Wassers aufzeichneten und über einen Lichtsensor die photosynthetisch aktive Strahlung im Oberflächenwasser erfassten. Zudem wurde kontinuierlich die Verteilung der Mikroalgen registriert. In festen Zeitintervallen wurden 22 Wasserproben für spätere Analysen gewonnen.

Forschung im „Hausgarten“ in der Framstraße

An der Expedition, die sich in mehrere Fahrtabschnitte gliedert, nehmen mehr als 120 Wissenschaftler und Techniker von Instituten aus sechs Nationen teil. Sie sammeln Daten und nehmen Untersuchungen vor, „die für die klimabezogene Forschung unverzichtbar sind“, erklärt Fahrtleiter Gereon Budheus, Ozeanograph des Alfred-Wegener-Instituts. Untersucht wird unter anderem die „Winterkonvektion“, die die Verteilung von Wärme und Salz bestimmt und die Erneuerung der tiefsten Schichten im Ozean steuert. Geforscht wurde auch im „Hausgarten“, einem aus 16 Messstationen in Wassertiefen von 1000 bis 5500 Metern bestehenden Tiefsee-Langzeit-Observatorium in der östlichen Framstraße.

Der „Hausgarten“ liefert Daten, wie das arktische marine Ökosystem auf den globalen Klimawandel reagiert, der sich in der Abnahme der Eisbedeckung und der Eisdicke im Arktischen Ozean zeigt. Die Umweltveränderungen beeinflussen die marinen Nahrungsnetze und damit die Funktionsweise des gesamten Ökosystems.

Ende Juli wird das Forschungsschiff die isländische Hauptstadt Reykjavik anlaufen und dann in die kanadischen Gewässer der nördlichen Baffin Bay zwischen Grönland und dem kanadischen Arktis-Archipel fahren. Am 10. Oktober wird die Polarstern in Bremerhaven zurückerwartet.

Gerd Braune

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