Die kleine Moschee
am Polarkreis

Inuvik/Ottawa, 28. September 2010. Überschwänglich spricht die muslimische Zubaidah Tallab-Stiftung in Winnipeg von einem Ereignis, das „islamische Geschichte“ macht: Nach einem mehr als 4000 Kilometer langen Transport über Straßen und Flüsse ist eine vorgefertigte kleine Moschee in Inuvik in Kanadas arktischem Nordwest-Territorium eingetroffen. Die nördlichste Moschee in Nordamerika wird der 100 Mitglieder zählenden Muslim-Gemeinde als Gebetshaus und Gemeindezentrum dienen.
Muslim-Gemeinde in Inuvik hat nun ein Gebetshaus, das eine 4000 Kilometer weite Reise hinter sich hat

Als die Barke mit der Moschee jetzt in Inuvik anlegte, hatte sie eine zweiwöchige Reise über 1800 Kilometer stromabwärts auf dem Mackenzie-Fluss hinter sich. Muslimische Bürger Inuvik fanden sich trotz Schneegestöbers an der Anlegestelle ein. Es ist ein eher unscheinbares Haus, das sich von den eingeschossigen Wohn- und Verwaltungsgebäuden in Inuvik kaum unterscheidet. Aber für die Muslim-Gemeinde geht ein langgehegter Wunsch in Erüfllung. „ Es ist ein wunderschönes Gebäude. Jeder ist glücklich, dieses kleine Haus für Treffen und Gebete zu haben und als Raum, in dem Kinder spielen können“, freute sich Amir Suliman.

Bisher hatten sich Inuviks Muslims in einem zum Gebetsraum umgestalteten Container getroffen. Jetzt haben sie ein Haus mit etwa 150 Quadratmeter Grundfläche. Es wurde in Winnipeg zusammengebaut. Die Zubaidah Tallab-Stiftung in Winnipeg brachte die 300.000 Dollar für die Herstellung und den Transport auf. Die islamische Gemeinde in Inuvik hätte das niemals finanzieren können. Ende August begann die Reise auf dem Schwertransporter mit Überbreite. Umwege, weil Brücken zu schmal waren, heftiger Wind oder zu starker Verkehr führten immer wieder zu Verzögerungen. Am 10. September kam die Moschee nach einer 2400 Kilometer langen Fahrt in Hay River am Großen Sklavensee in den Nordwest-Territorien an und wurde auf die Barke verladen. Es war die letzte Barke, die vor dem Winter auf dem Mackenzie-Fluss nach Norden fuhr. Nach einer etwa zweiwöchigen Reise erreichte die Fracht die 3500 Einwohner zählende Stadt Inuvik, die vor allem von der Öl- und Gasexploration im Mackenzie-Delta und der Beaufort-See lebt.

Nördlichste Moschee der amerikanischen Hemisphäre

Durch die Gnade des Allmächtigen Gottes habe die Moschee ihre Reise beendet, verkündet die muslimische Stiftung in Winnipeg. „Dies wird Inschallah (so Gott will) die nördlichste und abgelegenste Moschee der amerikanischen Hemisphäre sein.“ Ein wenig nördlicher sind vermutlich nur die Moscheen von Tromsoe in Norwegen und Norilsk in Sibirien. In Inuvik freute sich der aus dem Sudan stammende Mamdouh El-Haradi, der in der Arktisstadt als Taxifahrer arbeitet. „Dies ist ein symbolischer Platz für die Muslims. Wenn jemand hier hoch kommt, wird er einen Ort zum Beten finden.“ Die offizielle Eröffnung der Moschee soll in der zweiten Oktoberhälfte stattfinden.

Die Kanadier verfolgen seit Jahren im CBC-Fernsehen die Serie „Die kleine Moschee in der Prärie“ (Little Mosque in the Prairie), die das Neben- und Miteinender von Muslimen und Nicht-Muslimen in einer kleinen Präriestadt darstellt. Jetzt haben sie auch noch eine kleine Moschee in der Arktis in einer Stadt nördlich des Polarkreises.

Gerd Braune

© Gerd Braune
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Dieser Text erschien redaktionell bearbeitet unter anderem in der
Berliner Zeitung (5. Oktober 2010)