Kanada will „Serengeti der Arktis“ als Meeresschutzgebiet ausweisen

Ottawa, 7. Dezember 2010. Die kanadische Regierung will den Lancaster Sound, Teil der legendären Nordwest-Passage in Kanadas Arktis, als Meeresschutzgebiet ausweisen. Die konservative Regierung feiert dies als Beweis für ihr Engagement beim Arktisschutz. Sie weigert sich aber weiter, einschneidende Schritte gegen den Klimawandel zu beschließen, der die größte Bedrohung der Arktis darstellt. Erst wenn alle großen Treibhausgas-Verursacher mitmachen, will Ottawa mitziehen.
Lancaster Sound soll für Ölsuche gesperrt werden

Umweltminister John Baird legte am Montag in Ottawa den Vorschlag der Bundesregierung für die Schaffung der „National Marine Conservation Area“ im Lancaster Sound vor. Diese Meeresstraße zwischen der Baffin- und Bylot-Insel sowie der Devon-Insel gilt wegen ihres Artenreichtums als „Serengeti der Arktis“. Durch den Lancaster Sound ziehen Walrosse, Narwale, Belugas und die bis zu 18 Meter langen Grönlandwale. Das Eis und das Wasser des Landcaster Soundes sind zudem Lebensraum für Eisbären, Robben und zahlreiche Vogelarten.

Annähernd 45.000 Quadratkilometer Wasserfläche sollen nun unter Schutz gestellt werden. Dies entspricht etwa der Größe Niedersachsens. „Unsere Regierung sendet eine klare Botschaft an die Welt, dass Kanada seine Verantwortung für den Schutz der Umwelt in unseren Arktis-Gewässern wahrnimmt“, sagte Baird. Noch müssen die Grenzen des Gebiets in Verhandlungen mit den Inuit-Organisationen und der Territorialregierung von Nunavut genau abgesteckt werden, beide Partner aber begrüßten die Entscheidung Ottawas. Während der Beratungsphase darf im Lancaster Sound  nicht nach Öl und anderen Bodenschätzen gesucht werden. Wenn die Region als Schutzgebiet ausgewiesen ist, wird dauerhaft keine Öl- und Gasförderung dort möglich sein. Schifffahrt wird auch nach Ausweisung des Schutzgebiets möglich sein.

Keine seismischen Tests in der Meeresstraße

Die Schutzpläne haben Folgen für die wissenschaftliche Arbeit. Minister Baird unterstrich: „Es wird keine seismischen Tests im vorgeschlagenen Gebiet geben schon bevor es zum Schutzgebiet erklärt wird. Dies tritt sofort in Kraft.“  Kevin McNamee, Leiter der Abteilung zur Einrichtung von Nationalparks der Nationalparkbehörde „Parks Canada", erklärte hierzu am Dienstag, es sei damit „absolut klar, dass es keine seismischen Tests im Lancaster Sound geben wird". Damit wären auch seismische Untersuchungen, die der Grundlagenforschung und nicht der Öl- und Gassuche dienen, untersagt.

Zwar sprach Baird davon, mit dem Schutzgebiet werde ein „natürlicher Puffer“ geschaffen, der den Planeten vor den Folgen des Klimawandels schützen und Pflanzen und Tieren helfen soll, auf die Veränderungen zu reagieren. Aber erst vor zwei Wochen machten Wissenschaftler auf der Konferenz über Biodiversität in der Arktis deutlich, dass sich durch Klimawandel die Arktis erheblich ändern wird, jetzige Fisch- und Walarten verdrängt werden könnten und sich die Landschaft durch Ansiedlung bisher unbekannter Pflanzen verändern könnte. Zudem ist die Existenz von Eisbären durch das Verschwinden von Meereis bedroht.

Kritik an Kanadas Klimapolitik

Baird, der am Dienstag nach Cancun zum UN-Klimagipfel reisen wollte, sagte, Kanada wolle ein „effektives“ Abkommen, das zur Reduzierung der CO2-Emissionen führe. Er machte aber zugleich klar, dass Kanada kein bindendes Folgeabkommen für Kyoto akzeptieren will, wenn nicht große CO2-Emittenten wie die USA, China und Indien an Bord sind. Europäische Diplomaten in Ottawa sind frustriert, dass sich Kanada seit Jahren hinter den USA versteckt. Von Hinhaltetaktik sprach ein Diplomat, und ob Premierminister Stephen Harper überhaupt an Klimawandel glaube, sei „dahingestellt“. Baird ist nur ein „Teilzeit-Umweltminister“. Seine Hauptaufgabe ist das Amt des Fraktionschefs der Konservativen im Parlament. „Es spricht Bände über Kanadas Umweltpolitik, dass Baird zusätzlich und nebenbei das Umweltressort führt“, meinte ein Diplomat.

Harper hegt eine tiefe Ablehnung gegen das Kyoto-Protokoll. Mit seinem Regierungsantritt Anfang 2006 hat er sich von Kanadas Verpflichtung, die Emissionen um sechs Prozent unter dem Niveau von 1990 zu senken, losgesagt. Kanada emittierte 1990 noch 592 Megatonnen (592 Millionen Tonnen) CO2, 2008 aber waren es 734 Megatonnen, 30 Prozent über dem Kyoto-Ziel. Pro Kopf ist Kanada einer der schlimmsten Klimasünder der Welt.

Gerd Braune

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