Inuit pochen auf ihre Souveränität in der Arktis

Ottawa, 7. Juni 2009. Mit einer „Erklärung zur Arktischen Souveränität“ fordern die Inuit, bei allen Entscheidungen der arktischen Staaten über die künftige Nutzung des Nordpolargebiets als gleichberechtigte Partner beteiligt zu werden. Die Gestaltung internationaler Beziehungen in der Arktis und die Lösung internationaler Dispute in dieser Region fielen nicht allein die Zuständigkeit der Staaten. Als Ureinwohner der Arktis hätten die Inuit das Recht auf Selbstbestimmung über ihr Leben, ihre Territorien, Kulturen und Sprachen.
Nicht nur Nationalstaaten dürfen über Polarregion entscheiden

Die Inuit wenden sich, wie Mary Simon, Präsidentin der kanadischen Inuit-Organisation Inuit Tapiriit Kanatami (ITK) erläutert, gegen ein altes Konzept von Souveränität, das nur den Nationalstaaten Rechte gibt. Die Menschen und Völker im Norden hätten das Gefühl, dass ihnen bei den Diskussionen über Souveränität in der Arktis keine Mitsprache eineräumt werde. „Wir sind nicht bereit uns zurückzulehnen und das hinzunehmen“, sagte Mary Simon auf der Konferenz „2030North“ in Ottawa. Souveränität bedeute „für uns Inuit die Möglichkeit zu haben, unser Leben zu gestalten“.

Aufgeschreckt wurden die Inuit, als im Mai 2008 die Außenminister der fünf Einsmeer-Anrainer, die USA, Kanada, Russland, Norwegen und Dänemark, im grönländischen Ilulissat zusammenkamen, um über das Verfahren bei der Festlegung von Hoheitsansprüchen auf den Boden im Arktischen Ozean zu verständigen. Weder die drei anderen Mitglieder des Arktischen Rates, Schweden, Finnland und Island, noch die Ureinwohner, die im Arktisrat ein Mitspracherecht haben, waren eingeladen. Klimawandel und Rückgang der Eisfläche machen die Arktis zugänglicher. „Ilulissat“ weckte Befürchtungen, dass Entscheidungen über Fischfang, Schifffahrt oder Ausbeutung von Bodenschätzen über die Köpfe der Menschen hinweg getroffen werden. „Ilulissat war ein Weckruf“, meint Clive Desiré-Tesar, Sprecher des Arktis-Programms des WWF International. „Den Ureinwohnern wurde bewusst, dass sie Gefahr liefen, von den Diskussionen ausgeschlossen zu werden.“

Inuit wollen aktive Partner bei Entscheidungen über Arktis sein

Der Inuit Circumpolar Council/ICC, Dachverband der 150.000 Inuit Grönlands, Kanadas, Alaskas und der russischen Tschuktschen-Region, arbeitete die „Erklärung zur Arktischen Souveränität“ aus, die Ende April bei der Sitzung des Arktischen Rates der Polarstaaten veröffentlicht wurde. Sie soll bei internationalen Treffen den Anspruch der Inuit auf Mitsprache stärken. Hierzu gehört auch der im Dezember anstehende UN-Klimagipfel, der ein Folgeabkommen für das Kyoto-Protokoll beraten wird. Der Kopenhagen-Gipfel wird derzeit auf einer Konferenz in Bonn vorbereitet.

Die Inuit stützen sich dabei auf internationale Abkommen wie die UN-Deklaration über die Rechte der Ureinwohnervölker, die UN-Charta und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. „Im Zentrum unserer Rechte als Volk steht das Recht auf Selbstbestimmung“, erklären die Inuit. „Es ist unser Recht, frei unseren politischen Status festzulegen, frei unsere ökonomische, soziale, kulturelle und lingustische Entwicklung zu verfolgen, und frei unsere Naturressourcen zu regeln.“ Bei allen nationalen und internationalen Beratungen über arktische Souveränität und Fragen wie Eigentumsrechte, Schifffahrtsrechte und wirtschaftliche Entwicklung müssten die Inuit als „aktive Partner“ beteiligt werden.

Nicht Unabhängigigkeit, sondern Selbstbestimmung

„Wir sagen denen, die unser Heimatland Inuit Nunaat nutzen wollen: Ihr müsst mit uns reden und unsere Rechte respektieren“, erklärt Patricia Cochran, Präsidentin des ICC, dieser Zeitung. Souveränität bedeute für die Inuit, starke und gesunde Gemeinden bilden zu können, meint Mary Simon. Die ICC-Erklärung sei keine Erklärung zu Separatismus und Loslösung von einem Staat. „Wir sprechen nicht von Unabhängigkeit von einem Staat, sondern von Selbstbestimmung und Selbstverwaltung in einem Staat.“

Gerd Braune

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